Die Gemeine Sandrasselotter (Echis carinatus)
Die gemeine Sandrasselotter (Echis carinatus) aus der Gattung der Sandrasselottern gehört zur Familie der Vipern. Im deutschsprachigen Raum wird diese Giftschlange auch manchmal als asiatische Sandrasselotter bezeichnet. Sie wurde 1801 erstmals wissenschaftlich von Prof. Johann Gotttlob Theaenus Schneider beschrieben.
Inhaltsverzeichnis
Aussehen
Die gemeine Sandrasselotter ist durchschnittlich zwischen 50 und 70 cm lang, sie kann jedoch unter guten Bedingungen bis zu 80 cm lang werden. Der Körper wirkt schlank, wenn auch etwas untersetzt. Er ist vollständig von Schuppen bedeckt. Als Besonderheit der Gattung Sandrasselottern gelten die ungeteilten Unterschwanzschilde, die sonst bei keinen Vipern vorhanden sind. Die Färbung der Bauchseite ist cremefarben mit dunkler Sprenkelung. Die Rückenseite ist vom Grundton her bräunlich und weist Zeichnungen auf, wobei der bräunliche Grundton von sandbraunen über graubraunen, rostbraunen bis dunkelbraunen Tönen variieren kann. Auf dem dreieckförmigen Kopf findet sich meist eine helle Zeichnung in Form eines X oder Y. Zum Kopf hin werden die Schuppen deutlich kleiner. Helle Querbalken zeichnen den Rücken, während sich Wellenlinien oder v-förmige Zeichnungen an den Körperseiten finden. Die Augen der gemeinen Sandrasselotter sind verhältnismäßig weit vorn am Kopf und besitzen schlitzförmige Pupillen in vertikaler Richtung.
Lebensraum und Verbreitungsgebiete
Die gemeine Sandrasselotter lebt in weiten Teilen Mittel- und Südasiens. Der bevorzugte Lebensraum ist
arides, felsenreiches Geröllgebiet mit spärlichem Pflanzenwuchs, wie es in den asiatischen Steppen- und
Halbwüstenlandschaften zu finden ist. Sie lebt aber auch in den Randzonen von Agragebieten oder Oasen.
Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich von West nach Ost über die Länder Iran, Pakistan, Indien,
Bangladesch und Sri Lanka. Die nördliche Verbreitungsgrenze durchquert die Länder Turkmenistan,
Usbekistan, Tadschikistan und Afghanistan. Kleine Verbreitungsgebiete finden sich im Irak und auf der arabischen
Halbinsel. Ihr Verbreitungsgebiet überdeckt sich teilweise mit anderen Arten der Gattung Sandrasselottern.
So leben auf der arabischen Halbinsel sowohl die gemeine Sandrasselotter als auch die arabische Sandrasselotter
(Echis coloratus).
Unterarten
Die Vorkommen der gemeinen Sandrasselotter werden in fünf, beziehungsweise sechs regionale Unterarten aufgeteilt. Die ägyptische Sandrasselotter gilt in neueren Werken als eine eigenständige Art innerhalb der Gattung Sandrasselottern. Sie wird in älteren Werken jedoch als Unterart der gemeinen Sandrasselotter geführt.
Ernährung und Fressfeinde
Die gemeine Sandrasselotter ernährt sich von Kleinsäugern wie Mäusen und Ratten, sowie opportunistisch von Vögeln, Amphibien und Reptilien dieser Größenordnung. Daneben frisst sie auch größeren Insekten und Skorpione. Sie tötet ihre Beute mit einem oder mehreren Gift übertragenden Bissen aus den Röhrengiftzähnen und verfolgt das angebissene Tier, bis es verendet. Anschließend verschlingt sie ihre Beute im Ganzen. Teils spezialisiert sich die Schlange auf die örtlich verfügbare Beute und kann das Giftgemisch dem Beutetier adaptiv angleichen. Gelegentlich frisst sie auch Eier, für die sie auf Büsche und kleine Bäume klettert. Gejagt wird die Schlange von Greifvögeln, Katzen, Hunde- und Marderartigen Tieren. Sie kann ihren Prädatoren aber ebenso gefährlich werden.
Lebensweise
Die gemeine Sandrasselotter bewegt sich schlängelnd oder seitenwindend fort. Dabei erreicht sie durch
die seitenwindende Fortbewegungsart eine beachtenswerte Geschwindigkeit, wobei sie die charakteristischen
Spuren hinterlässt. Die Schlange ist überwiegend dämmerungs- und nachtaktiv. Bei Tageslicht verstecken
sie sich in der Regel. In sandigen Gebieten graben sie sich tagsüber bis zum Kopf auch in den Boden ein.
Bei Regen klettern sie dagegen auf Bäume und Sträucher. In den nördlichen Verbreitungsgebieten verfällt
sie teilweise in den Winterschlaf.
Bei Gefahr erzeugt die gemeine Sandrasselotter durch das Reiben
der stark gekielten Flankenschuppen aneinander ein Rasselgeräusch als Warnlaut. Sie zischt nicht. In
akuten Bedrohungssituationen rollt sich die Schlange dann tellerförmig zusammen und wehrt sich mit
Bissen, wobei sie mit dem Kopf blitzartig nach vorn schnellt.
Fortpflanzung und Bestand
Als Einzelgänger treffen sich Sandrasselottern willentlich nur zur Paarungszeit. Die Männchen
lokalisieren paarungsbereites Weibchen über den Geruchssinn. Wenn mehrere Männchen um ein Weibchen
konkurrieren, tragen die Männchen zum Teil heftige Kommentkämpfe aus.
Wie viele Vipern pflanzt sie
sich ovovivipar fort. Das bedeutet, dass die Eier im Leib ausgebrütet und die Jungtiere anschließend
geboren werden. Die Tragezeit umfasst zwei bis drei Monate. Ein Wurf kann bis zu fünfzehn Jungtiere
auf die Welt bringen. Die Unterart Echis carinatus sochureki in Iran, Pakistan und Afghanistan legt
dagegen hartschalige Eier. Bei der Geburt ist der Nachwuchs 12 bis 15 cm lang. Nach ungefähr zehn
Tagen sind geschlüpften Schlangen so groß, dass sie sich das erste Mal häuten. In Gefangenschaft kann
eine gemeine Sandrasselotter bis zu 23 Jahre alt werden.
Die Art ist nicht gefährdet.
Gefährlichkeit für den Menschen
In Randgebieten von Agrarzonen und Oasen zählt die gemeine Sandrasselotter wegen ihres wirkungsvollen Giftes und ihrer schnellen Reizbarkeit zu den für den Menschen gefährlichen Schlangen. Bissunfälle sind nicht selten. In Indien zählt sie zu den sogenannten "Big Four", denen im Volksmund die Mehrzahl der Schlangenangriffe auf Menschen zugerechnet wird. Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge verteilen sich diese Angriffe aber auf weitaus mehr Arten. Das Gift der gemeinen Sandrasselotter ist hochgradig giftig. Es führt Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Atemnot und be- oder verhindert die Blutgerinnung. Der Grund für die Störung der Blutgerinnung ist das Enzym Ecarin, das sich im Gift der Schlange befindet. Ein weiterer Wirkstoff ist Tirofiban, das ebenso die Blutgerinnung behindert. Das Giftgemisch wird im menschlichen Blutkreislauf schlecht abgebaut und innere Blutungen können zum Tod führen. Ein erhöhtes Risiko besteht, wenn zudem eine Allergie auf diese Gifte besteht. Ohne rechtzeitige Behandlung sterben durchschnittlich 10 - 20 % der Gebissenen. Ein Biss sollte daher schnellstens mit einem Antivenin ärztlich behandelt werden.