Würgeschlangen
Das langsame, qualvolle Ersticken im Würgegriff einer Riesenschlange ist sicherlich ein besonders scheußliches Horrorszenario. Bei genauerer Betrachtung tritt der Tod aber gar nicht durch Ersticken ein, sondern durch einen kollabierenden Kreislauf, ausgelöst durch den unerbittlichen Druck der sich zuziehenden Schlange. Auf jeden Fall tritt die Bewusstlosigkeit schon ein, bevor die Organe aus Sauerstoffmangel wegen des abgeklemmten Blutflusses absterben. Das belegen die wissenschaftlichen Ergebnisse einer langen Serie makabrer Versuche mit Ratten.
Was sind Würgeschlangen?
Wenn eine Schlange ihre Beute fest umschlingt und allein mit ihrer Körperkraft tötet, dann gehört diese Schlange zu den Würgeschlangen. Pythons und Boas sind die wohl bekanntesten Würgeschlangen, aber es gibt auch viele Nattern, die ihre meistens eher kleinen Beutetiere auf diese Weise töten. Dabei nutzen die Würgeschlangen stets jenen Moment aus, wenn das Beutetier gerade ausgeatmet hat und sich sein Volumen auf natürliche Weise etwas verringert, eine gute Gelegenheit, um die Schlinge mit weniger Aufwand enger zu ziehen. Wenn der Todeskampf abgeebbt ist, wird das Opfer im Ganzen verschlungen.
Der Tötungsvorgang im Einzelnen
Würgeschlangen wie die Boa constrictor essen fast alle Tiere, die sie herunterschlingen können, dazu gehören zuweilen auch kleine Kaimane. Das Umschlingen des Opfers geht bei diesen extrem muskulösen Profis blitzschnell und, wie oben bereits erwähnt, wird jeder Atemzug dazu genutzt, die Schlinge fester zu ziehen.
Zwar sieht es stets so aus, als würde das Beutetier nach Luft schnappen, beschreiben Dave Hardy und Scott Boback (Dickinson College, Carlisle, Pennsylvania) den Vorgang, aber es fiel ihnen auf, dass das Beutetier so schnell stirbt, dass es sich nicht um einen reinen Erstickungstod handeln konnte. Daher lag die Vermutung nahe, dass die Boa ihr Opfer so stark zusammenquetscht, dass dadurch die Blutzufuhr, vor allem auch zum Herzen, abgedrückt wird. Da das Hirn auf diese Weise sehr schnell von der Blutversorgung abgeschnitten wird, tritt die Ohnmacht sehr rasch ein.
Nun ist es so, dass sich die Wissenschaft niemals nur mit einer Theorie zufrieden gibt, sie will Beweise sehen. Mit einer Obduktion ist das aber nicht zu leisten. Also mussten doch Tierversuche mit Ratten her. Zunächst wurden die Tiere betäubt und dann mit Elektroden und Sensoren verkabelt. Sodann machten sie auch gleich Bekanntschaft mit den Würgeschlangen, die die reglosen Ratten mitnichten verschmähten. Umschlungen wurden meistens Brustkorb und Abdomen der Ratten, nur in einigen Fällen wurde sicherheitshalber noch eine Schlinge um den Hals gelegt. Die Daten der Sensoren bezogen sich auf die Zeitreihen beziehungsweise Wellenformdaten des Herzschlags, des Blutdrucks und des Kreislaufs der Opfertiere, während die Würgeschlangen ihren naturgegebenen Job machten.
Und in der Tat ging alles sehr schnell, sobald die Würgeschlangen ihre Arbeit aufnahmen. Während der
arterielle Blutdruck abfiel, stieg der venöse Druck an. Innerhalb von nur sechs Sekunden Würgezeit fiel
der periphere Blutdruck auf die Hälfte ab. Dagegen stieg der Blutdruck in den Venen um das Sechsfache.
Im gleichen Zuge verlangsamte sich der Herzschlag immer weiter und der Puls wurde unregelmäßig.
Beide Forscher wissen, dass diese Art der Veränderung der Herzfrequenz eine verheerende Wirkung auf die
Funktion des Herzens hat, die bereits innerhalb von 30 Sekunden nach Beginn des Würgegriffs zum Tod führt.
Diese Messungen bestätigen, dass Würgeschlangen ihre Opfer nicht ersticken, sondern "todpressen". Seinen
Tod erlebt das ohnmächtige Opfer nicht mehr.
Die Beobachtungen der Wissenschaftler erklären zugleich noch ein weiteres Phänomen: Manchmal können sich Beutetiere aus dem Griff der Würgeschlangen befreien, aber sie sterben meistens trotzdem. Das liegt daran, dass ihr Blutkreislauf und ihre Blutwerte nach einer solchen Tortur so nachhaltig beschädigt sind, dass es zu einem übermäßigen Einströmen von Kalium ins Blut kommt. Daraus ergeben sich dann lebensbedrohliche Lähmungen.
Die bekanntesten Würgeschlangen
Echte Boas (Boinae) sind eine Unterfamilie der Boas (Boidae), deren weites Verbreitungsgebiet sich über Süd- und Mittelamerika erstreckt. Ihre mittelgroßen bis sehr großen Vertreter sind sehr muskulöse Würgeschlangen. Die Boas werden in 5 Gattungen und 29 Arten untergliedert. Dazu gehört auch die Große Anakonda, die zu den weltweit größten Schlangen zählt. Genauer betrachtet sieht die Strukturierung so aus:
- Vier Arten der Anakonda (Eunectes),
- Vier Arten der Anakonda (Eunectes),
- neun Arten Hundskopfboas (Corallus),
- zehn Arten Chilabothrus,
- die Abgottschlange (Boa constrictor) ist eine eigene Art.
Die Abgottschlange, Boa constrictor, die vom südlichen Südamerika bis nach Mexiko anzutreffen ist, wird auch als Abgottboa, Königsschlange oder Königsboa bezeichnet. Die größte bislang vermessene Abgottschlange wies eine Länge von 3,60 Metern auf. Diese Art verfügt über die erstaunliche Fähigkeit, ihre Haut in Abhängigkeit von der Außentemperatur aufzuhellen oder abzudunkeln, was ihre Tarnung in der Umgebung signifikant verbessert.
Die Große Anakonda (Eunectes murinus) lebt in den tropischen Regionen Südamerikas. Sie ist dort räumlich eng an größere Gewässer gebunden. Gemäß Dirksen maß die längste (bekannte) Große Anakonda mehr als neun Meter. Das Gewicht eines solchen Exemplars wird auf über 200 Kilogramm geschätzt.
Die Pythons stellen eine eigene Familie dar, die der Überfamilie der Pythonoidae angehört. Lange Zeit wurden diese Riesenschlangen mit den Boas zusammengefasst. Neuere genetische Untersuchungen lassen nun Zweifel an einer näheren Verwandtschaft beider Familien aufkommen. Tatsächlich sind die Pythons Bewohner der "Alten Welt", so findet man sie in Afrika, in Australien sowie in Süd- und Südostasien jeweils vornehmlich in den tropischen Regionen zwischen den Wendekreisen. Während der Warmzeiten des Miozäns gab es Pythons übrigens auch in Europa. Aufgrund illegaler Aussetzungen vermehrt sich seit einigen Jahren der Tigerpython im US-Bundesstaat Florida.
Die Familie Pythonidae umfasst 40 Arten, die sich auf diese Gattungen verteilen:
- Zwergpython (Bothrochilus)
- Eigentliche Python (Python)
- Wasserpython (Liasis)
- Südpython (Antaresia)
- Rautenpython (Morelia)
- Schwarzkopfpython (Aspidites)
- Amethystpythons (Simalia)
- Malayopython
Der Netzpython (Malayopython reticulatus) kann 25 Jahre alt werden und in Einzelfällen bis zu zehn Meter lang werden. Ein netzartiges Muster auf ihrer Haut gab der Schlange, die vor allem in Nordostindien und Indonesien beheimatet ist, ihren Namen. Ihr natürlicher Lebensraum sind Sümpfe und tropische Regenwälder, aber auch im Umfeld von Städten wird der gefährliche Netzpython immer wieder gesichtet.
Die artenreichste Familie der Schlangen bilden mit mehr als 1.700 Arten die in aller Regel ungiftigen Nattern (Colubridae). Diese Schlangen töten ihre Beute ebenfalls durch Umschlingen und schlucken diese dann im Ganzen herunter. Damit sind auch sie würdige Vertreter der Würgeschlangen, wenngleich sie weniger spektakulär aussehen als ihre viel größeren "Zunftgenossen".