Die Familie der Giftnattern (Elapidae)
Giftnattern, auch Elapidae genannt, gehören zu einer der artenreichsten Familien unter den Schlangen.
Sie gehören der Klasse der Kriechtiere an und zählen zur Ordnung der Schuppenkriechtiere (Squamata).
Neben den Vipern (Viperidae) repräsentieren diese Exemplare ebenfalls eine der größten Giftschlangengruppe.
Fossile Funde belegen, dass die Giftnattern schon vor ungefähr 50 Millionen Jahren lebten. Bereits vor 25
Millionen Jahren waren die Tiere den Würgeschlangen entwicklungsmäßig weit überlegen.
Der nachfolgende
Artikel enthält einen Überblick über das Leben der hochgiftigen Schlangen, ihrer Verbreitung, den Lebensraum
und weiterer spezifischer Besonderheiten.
Inhaltsverzeichnis
Beschreibung
Der Körperbau der Giftnattern ähnelt sehr dem Körperbau der mit ihnen verwandten Nattern. Es sind sehr
bewegliche, meist schlanke Schlangen mit glatten Körperschuppen. Sie besitzen runde Pupillen. Ihr Kopf ist nur
geringfügig vom Hals abgesetzt. Im Gegensatz zu den Nattern (Colubridae) fehlt ihnen jedoch das Zügelschild
(Loreale) und die Nasenlöcher sind seitlich angeordnet. Einige Arten verfügen über ein spreizbares Nackenschild,
welches in ausgebreitetem Zustand eine Drohhaltung darstellt. Ihr Höchstalter beträgt ungefähr 30 Jahre.
Die Körperlänge der Giftnatter ist variabel und liegt in der Regel zwischen 40 Zentimetern und 5 Metern.
Der kleinste Vertreter ist die Bandy-Bandy (Vermicella annulata) mit einer Länge von 40 Zentimetern.
Die Brillenschlange wartet mit einer Länge von ungefähr zwei Metern auf. Demgegenüber steht die Königskobra
(Ophiophagus hannah), die in Ausnahmefällen bis maximal sechs Meter lang werden kann.
Häufig zieren auffällig
gefärbte Querbänder den Körper von Giftnattern. Im Vergleich zur Seeschlange (Hydrophiidae) besitzt eine
Elapidae wiederum einen drehrunden Schwanz. Manche Schlangen sind auch fähig, sich bei Erregung abzuplatten.
Beispielsweise können Kobras mittels verlängerten Halsrippen die lockere Nackenhaut zu einem Hut oder auch
Teller ausformen. Jungtiere verfügen ebenfalls über ein derartiges Verhalten. Die Farbgebung der Giftnattern
verfügt über ein breites Spektrum. Je nach Art und Lebensraum sind Nuancen von schwarz, grau, braun über
grauweiß, gelbgrün bis hin zu roten und gelben Abstufungen zu finden. Ob gestreift, geringelt, gefleckt- oder
punktartig – auch die Musterung ist sehr vielseitig.
Anatomische Besonderheiten
Ein bedeutender Unterschied zu den Nattern besteht im Aufbau des Giftapparates sowie dessen Zähne. Das
Giftzahnpaar ist fest im vorderen Bereich des Oberkiefers verankert. Die Zähne sind deutlich dicker und
größer als die restlichen Schlangenzähne. Im Gegensatz zu den Zähnen der Vipern (Viperidae) besitzen diese
eine Längsfurche, die auf die ehemals offene Giftrinne des Zahnes hindeutet. Diese Bezahnung wird auch als
proteroglyph bezeichnet. Beim Biss gelangt das Gift somit über die Furchenzähne in die Beute. Bei einigen
Arten der Giftnattern ist die Zahnrinne abgewandelt, sodass die Schlangen ihr Gift unter hohem Druck über
mehrere Meter verspritzen können.
Die Giftdrüse hat sich im Laufe der Evolution aus der Speicheldrüse
entwickelt. Sie befindet sich beiderseits des Schädels. Der Giftkanal verbindet wiederum die Giftdrüse und
die Giftzähne.
Besonders die Vertreter der großen Arten gelten als gefährliche Giftschlangen. Für Menschen
ist deren Biss häufig tödlich, da das Gift hauptsächlich eine Lähmung des Nervensystems herbeiführt.
Ansonsten besitzen Giftnattern noch weitere, meist kleinere und ungefurchte Zähne am Oberkieferknochen.
Sollten diese Zähne oder auch die Giftzähne jemals ausfallen, bleibt die Schlange nicht lange zahnlos.
Ihre Zähne wachsen ein Leben lang nach.
Verbreitung und Lebensraum
Mit Ausnahme von Europa erstreckt sich das Verbreitungsgebiet der Elapidae über Nord-, Süd- und
Mittelamerika. Ebenso sind sie in Afrika, Australien und Asien beheimatet. Sie bewohnen hauptsächlich
die tropischen und subtropischen Regionen, angefangen von trockenen Wüsten, über Buschlang, bis hin zu
feuchten Regenwäldern. Einige Arten sind im Indischen und Pazifischen Ozean zu finden. Zu ihnen zählen
beispielsweise proteroglyphen Colubroidea, deren Giftzähne im vorderen Oberkiefer angeordnet sind.
In Amerika sind die Elapidae vor allem durch die Korallenschlangen vertreten. Bei diesen Schlangen sticht
besonders die leuchtende Färbung der gelben, roten, schwarzen und weißen Ringe hervor, die sich einander
abwechseln. Vorsicht, diese Schlangen beißen oftmals auch ohne Bedrohung!
Je nach Schlangenart sind
Giftnattern Baum- oder auch Bodenbewohner. Es gibt tagaktive und nachtaktive Exemplare. Giftnattern der
Trockenregionen in Australien leben am und im Boden selbst. Sie jagen dort kleine Schlangen und Reptilien.
Vertreter der Giftnatter
Die Familie der Elapidae umfasst über 320 Arten. Zu ihnen zählen neben Kobras, Taipane auch die
gefürchteten Mambas und ebenso Braunschlangen. Allein in Australien bilden die Giftexemplare eine über
80 Arten große Gruppe. Hier ist besonders der Taipan (Oxyuranus scutellatus) erwähnenswert, der eine
Länge von über drei Meter erreichen kann und ein intensiv wirkendes Gift besitzt. Der Biss dieser
Schlange wirkt schon nach wenigen Minuten tödlich.
Eine weitere, äußerlich der Kreuzotter ähnelnde
Schlange, ist die Todesotter (Acanthopis antarcticus). Hochgradig giftig sind ebenfalls die im
australischen Urwald lebenden Kobras der Gattungen Pseudechis und Notechis. Nur die größten Arten sind
eine Gefahr für den Menschen. Einige unter ihnen verharren in ihrer Position. Sie fliehen nicht vor dem
Mensch und zeigen auch kein typisches Zischen, sondern schlagen sofort zu. Befindet sich das Nervengift
erst einmal in der Blutbahn des Opfers, kommt oftmals jede Hilfe zu spät.
Lebensweise und Jagdmethoden
Aufgrund des Artenreichtums und des jeweiligen Lebensraumes haben Giftnattern verschiedene Jagdstrategien
entwickelt. Unter ihnen finden sich sowohl Stöberjäger, als auch Lauerjäger. Stöberjäger betreiben eine
aktive Beutesuche und ziehen durch Gestrüpp, Geäst oder Wasser. Hier ist besonders der auf dem Boden
wohnende Inlandtaipan zu erwähnen. Während der Nahrungssuche züngelt die Schlange kräftig mit ihrer, als
wichtiges Sinnesorgan fungierenden Zunge, um Geruchsstoffe aufzunehmen. Diese Geruchsstoffe werden dem
Jacobsonschen Organ zugeführt. Somit kann die Schlange die Geruchsspur aufnehmen und der Beute bis zum
Versteck folgen.
Als schnellste Schlange aus der Familie der Giftnattern gilt die Schwarze Mamba
(Dendroaspis polylepis). Durch ihre schlängelartige Fortbewegung erreicht sie problemlos eine
Geschwindigkeit von fast 15 Kilometer pro Stunde.
Nach dem Biss ins Beutetier verteilt sich das Gift
im Körper des Opfers. Manche Schlangen halten ihre Beute noch länger fest, andere wiederum lassen diese
nochmals entkommen und verfolgen sie über ihren Geruchssinn.
Die Augen der Schlangen verraten auch
einiges über ihre Lebensweise. Besitzt sie runde Pupillen, ist sie tagaktiv. Bei einer schlitzförmigen
Pupillenform geht sie als nachtaktives Exemplar auf Beutesuche. Besonders die in der Wüste lebende
Todesotter ruht am Tage in einem Versteck. Am Abend und nachtsüber versteckt die Schlange ihren plumpen
Körper im Wüstensand, wobei sie das dünnere Schwanzende in der Nähe des Kopfes platziert. Erspäht sie ein
kleines Wirbeltier, beginnt der Schwanz zu zucken. Ist das neugierige Opfer greifbar, schlägt die
Giftnatter sofort zu.
Ernährung – ein reichhaltiger Speiseplan!
Genauso wie sich die Arten der Elapidae hinsichtlich ihrer Lebensräume und Größe voneinander
differenzieren, weicht auch ihr Beutespektrum ab. Hier gibt es gewaltige Unterschiede. Das
Nahrungsangebot von Elterntieren und Jungschlangen variiert ebenfalls erheblich. Auch saisonale
Schwankungen kommen zum Tragen. Manche Beutetiere sind oft nur während einer bestimmten Zeitspanne
wie Frühjahr oder Herbst verfügbar. Durch derartige naturbedingte Schwankungen und in Zeiten der
großen Verfügbarkeit mancher Beutetiere entwickeln bestimmte Arten spezielle Vorlieben. Eins ist jedoch
den Elapidae gleich: Giftnattern sind Fleischfresser (Carnivore).
Die Vielfalt der Nahrung reicht von
Schnecken, Insekten, Regenwürmern, Reptilien, Amphibien und Fischen über Kleinsäuger wie Ratten, Mäuse
sowie Vögel und deren Eiern. Einige Arten vertilgen sogar kleinere, teilweise ebenfalls giftige Schlangen.
Fressakt der Giftnattern
Vor der Aufnahme der Beute wird das Futtertier zunächst intensiv mit der Zunge abgetastet. Die Schlangen
verschlingen ihre Beute stets im Ganzen, meist am Kopf beginnend. Das setzt jedoch voraus, dass die Anatomie
des Kauapparates diesen Prozess überhaupt ermöglicht. Hierfür spielt die Beweglichkeit der Schädelknochen
(kraniale Kinetik) der meisten Schlangen eine große Rolle. Diese sind extrem beweglich. Der Unterkiefer besteht
im Gegensatz zu Säugetieren aus zwei getrennten Hälften, die sich dadurch völlig unabhängig voneinander bewegen.
Auf diese Weise können die Schlangen die Kiefer weit aufklappen und sogar Beutetiere verschlingen, die
umfänglicher als ihr eigenes Maul sind.
Die Schlangenkiefer sind über Sehnen, Pfannen und Gelenkkopf locker
mit dem Schädel verbunden. Der Unterkiefer selbst besteht rechts- und linksseitig aus mehreren einzelnen und
in sich beweglichen Knochen, die eine intensive Flexibilität ermöglichen. Auch Haut und Muskulatur sind stark
dehnbar. Somit wird das Beutetier mit Hilfe der Zähne unter Kaubewegungen komplett in den Schlund gezogen.
Dieser Prozess kann zwischen wenigen Minuten und mehreren Stunden dauern.
Zum Schluss wird der Kiefer durch
ein „Gähnen“ wieder in die Ausgangsposition gebracht und die Giftnatter legt eine Ruhephase zur Verdauung ein.
Die Futtersuche beginnt bei manchen Elapidae nach wenigen Tagen, andere halten erst nach wenigen Wochen wieder
„Ausschau“. Bei kleineren Beutetieren bedarf es gleich einer weiteren Suche.
Fortpflanzung
Die Fortpflanzung von Giftnattern stark abhängig vom jeweiligen Lebensraum sowie der jeweiligen Art, ob Baum-
oder Bodenbewohner sowie tag- oder nachtaktiv. Seeschlangen wiederum haben eine perfekte Anpassung an ein Leben
im Meer entwickelt, die es ihnen ermöglicht, ihre Jungtiere dort zur Welt bringen. Die überwiegend landlebenden
Exemplare der Giftnattern vermehren sich wie bei allen Reptilien durch eine innere Befruchtung mit anschließender
Eiablage.
Leben die Schlangen in gemäßigten Breiten mit relativ kurzen Sommermonaten können die Männchen ihre
Spermien schon im Herbst produzieren. Sie speichern diese über die Winterzeit. Sobald die Winterruhe vorüber ist,
umwerben sie das Weibchen, was für das männliche Exemplar mitunter nicht ganz einfach ist. Trifft es auf mehrere
Schlangen, beginnen Kommentkämpfe. Hierbei handelt es sich um Machtkämpfe, bei denen nicht gebissen wird.
Nachdem sich der Unterlegene zurückgezogen hat, beginnt das Männchen das Weibchen zu verfolgen und zu „umgarnen“.
Über das Jakobsche Organ erkennt es das Geschlecht des Tieres. Bei einem geschlechtsreifen Weibchen kriecht das
Männchen auf den Rücken des Weibchens, wobei sein Schwanz sich um den der Partnerin windet. Dadurch versucht er
seine Kloake über die seiner Partnerin zu bringen. Meist dauert dieser Vorgang mehrere Stunden, bevor das
Männchen seine Hepidermes in die weibliche Kloake einführen kann.
Nach zwei bis drei Monaten legt das Weibchen
ihre Eier in sicheren Verstecken wie kleinen Baumhöhlen oder mit Humus bedeckten Erdlöchern ab. Dies ist meist
auch ihre letzte Handlung in der elterlichen Fürsorge. Danach zieht sie weiter.
Die noch im Ei befindlichen
Jungtiere ernähren sich in der Zwischenzeit vom Eidotter und beginnen nach ungefähr acht bis zwölf Wochen zu
schlüpfen. Hier hilft ihnen der auf der Schnauze sitzende Eizahn, mit dem die Schlangenkinder ihre Eihülle
durchstoßen. Sie sind vollständig entwickelt und sogar mit Giftdrüsen und Giftzähnen ausgestattet, sodass die
Jungschlangen schon frühzeitig ins Leben starten und auch allein auskommen können.
Fressfeinde der Giftnattern
Obwohl sich Giftnattern in der Nahrungskette auf den oberen Plätzen befinden, können auch sie ihr Leben nicht
völlig gefahrlos genießen. Bedrohungen durch räuberische Tiere bestehen permanent. Die Gefahren nehmen zwar mit
zunehmender Größe der Schlange geringfügig ab, aber dafür rücken andere Tierarten nach.
Zahlreiche Säugetiere
jagen die beinlosen Reptilien. Meistens fallen Jungschlangen den Räubern zum Opfer, weil sie zu diesem Zeitpunkt
noch klein sind und kaum Tarnerfahrung besitzen. Sie dienen dann Igeln, Mardern, Kleinvögeln oder Ameisen als
Genusshäppchen. Auch Tausendfüßler, Skorpione, große Spinnen, Frösche und Kröten sind auf der Lauer. Mitunter
besteht sogar innerhalb verschiedener Schlangenarten ein sogenannter Kannibalismus. Ein bekannter und
gefürchteter Schlangenfeind ist auch der indische Mungo.
Neben Waranen gehören die Greifvögel zu den
erfolgreichsten Jägern der Schlange. Einige unter ihnen haben sich sogar ausschließlich auf den Verzehr von
Schlangen spezialisiert. Der Schlangenadler schafft mitunter sogar ein bis drei Schlangen pro Tag! Er bevorzugt
diese Reptilien als Hauptmahlzeit.
Gefährdung und Schutz
An dieser Stelle steht der Mensch. Allerdings tritt er nicht als Freund, sondern als schlimmster und
gefährlichster Feind der Schlangen auf. Eine Gefährdung entsteht durch den Eingriff in das ökologische
Gleichgewicht. Wälder werden gerodet, um Industrie und Wirtschaft zu erweitern. Der Lederhandel mit
Schlangenhaut blüht zusätzlich. Flurbereinigungsmaßnahmen und Straßenverkehr wirken sich negativ auf die
Population auf. Das Profitdenken des Menschen vernichtet Lebensräume, die nicht nur zu den Heimatgebieten der
Schlangen, sondern gleichzeitig auch weiterer Tierarten zählen.
Das Schlangengift von Giftnattern wird
darüber hinaus zunehmend in der Pharmaindustrie verwertet. Die Toxine mancher Schlangen werden zur Entwicklung
von Medikamenten und Arzneistoffen herangezogen. Der Einsatz erfolgt als Analgetika oder im Rahmen der
Tumortherapie.
Auf der Roten Liste stehen bereits einige Vertreter der Familie der Giftnattern (Elapidae).
Um diese Arten zu erhalten, sollten Schutzgebiete errichtet und entsprechende Biotope angelegt werden. Die
Einfuhr von Giftnattern in Deutschland ist beschränkt. Einige Bundesländer verweisen auf die Meldepflicht.